Die meisten Männer sind ganz selbstverständlich mit ihren Geschlechtsteilen und deren Funktion vertraut und sind stolz darauf. Für viele Frauen ist der eigene Intimbereich mit Scham belegt und sie haben noch nie geschaut, wie es „da unten“ eigentlich aussieht. Das Tabu sich selbst zu betrachten oder zu berühren verhindert, dass Frauen ihren Genitalien ebenso natürlich begegnen wie die meisten Männer.
Bist Du ganz vertraut mit deiner Vulva oder gehörst Du zu den Frauen, die ihr „Untenrum“ nicht wirklich kennen und damit eher unsicher sind? Ich höre oft von Frauen, dass sie ihre Vulva eher skeptisch bis ablehnend betrachten wegen ihres Aussehen oder unsicher sind, ob das alles „normal“ ist, wie es ausschaut. Ich erzähle Dir, wie mein Weg war, mich mit meiner Vulva* anzufreunden und warum ich das so wichtig finde. Es wäre wunderbar, wenn auch Du Dich mit Deinem Intimbereich anfreundest. Eine Anleitung, wie Du solch eine Erkundung achtsam zelebrieren kannst, habe ich für Dich. Für Schnellentschlossene, kannst Du die Anleitung gleich hier bestellen. Oder erst mal weiterlesen …
Mein erster Gedanke beim Anblick meiner Vulva: „wie unschuldig sie ausschaut“
Ich hatte als junge Erwachsene das Glück, dass mich eine Frauenärztin während der Untersuchung fragte, ob ich nicht mal selbst schauen wolle. Ich wollte und sie gab mir einen Spiegel in die Hand. Es war wirklich das allererste Mal, dass ich meinen Intimbereich betrachtet habe. Und ich war überrascht wie „normal“ und „unschuldig“ meine Vulva aussah. Das war Anfang der 1980er Jahre. Ich sah mich damals als Teil der „Frauenbewegung“ und ging selbstverständlich nicht zu einem Frauenarzt sondern zu einer Frauenärztin bei Pro Familia. Das war das erste und einzige Mal, dass ich beim Frauenarzt gefragt wurde, ob ich mal schauen wolle.
Warum es so wichtig ist, dass Du mit Deiner Vulva vertraut wirst
Dieser kurze Blick auf der Liege der Frauenärztin hat keinen wirklich ausgeprägten Eindruck bei mir hinterlassen und es dauerte danach zwei Jahrzehnte bis ich mich erneut mit meinen Geschlechtsorganen beschäftigt habe. Das war 2012 während meiner Ausbildung zur Frauen-Masseurin. Ich war Mitte vierzig und „auf der Suche nach mir selbst.“ Als die Übung angekündigt wurde, dass wir (20 Frauen) im Kreis sitzend, jede einen Spiegel vor sich, unsere Geschlechtsorgane erkunden sollen, bin ich fast in Ohnmacht gefallen. Das hatte ich wohl in der Seminarbeschreibung überlesen.
Und, was war? Es war nach zwei Minuten die normalste Sache der Welt. Und wirklich berührend. Es ging ja jeder ähnlich, wir hatten mulmige Gefühle, fühlten uns unsicher in Gegenwart der anderen, waren unwissend.
Auf den zweiten Blick: „sie schaut aus wie ein Schmetterling“
Ich durfte mir richtig viel Zeit nehmen alles zu erkunden. Wie spannend das war: Farbe und Form zart und fein. Meine Vulva sieht aus wie ein Schmetterling 🙂 Ich war stolz auf mich und gleichzeitig gerührt. Nachdem außen alles entdeckt und erkundet war, durfte der Blick nach innen nicht fehlen. Mithilfe eines Spekulum und einer Taschenlampe entdeckte ich meinen Muttermund und, nachdem ich das Spekulum um 90 ° Grad drehte, die Harnröhrenöffnung und die G-Fläche (G-Fläche, nicht Punkt, aber davon soll an anderer Stelle mal die Rede sein).
Deine Vulva ist einzigartig wie Dein Gesicht
Und als jede sich selbst genug entdeckt und erkundet hatte waren alle neugierig: wie sieht es eigentlich bei der Nachbarin aus? Ich habe an diesem Tag erfahren, dass das „Untenrum“ jeder Frau einzigartig ist und ganz individuell ausschaut. Die Hausaufgabe nach dieser Übung war die Vulva für die nächsten 30 Tage täglich einzucremen, so wie wir täglich und ganz selbstverständlich unser Gesicht eincremen. Wozu hat diese Hausaufgabe gedient? Sie hat dazu gedient, dass ich mir das Aussehen meiner Vulva genau eingeprägt und jetzt ein Bild von ihr vor Augen habe. Ängste bezüglich der Form oder Größe meiner Vulva kenne ich seither nicht mehr. Sie ist ganz natürlicher Teil meines Körpers. Ich habe sie quasi in Besitz genommen und sie ist mir viel präsenter geworden. Die wertschätzende Gewohnheit des Eincremens habe ich übrigens vor kurzem wieder aufgenommen. Ich schenke meiner Vulva nach jeder Dusche einige „Augenblicke“ Kontakt und pflege sie mit einer Creme, die nach Rosen duftet.
Wie sieht es bei Dir aus? Kennst Du Deine Vulva? Es wäre doch schade, wenn der Teil Deines Körpers, der Dich am meisten zur Frau macht, ein weisser Fleck bleibt auf Deiner Körperlandkarte!
Meine Erfahrung ist: wenn Du Deinen Körper gut kennst und schätzt, kannst Du auch entspannter mit Deiner Sexualität umgehen
Unsere Vorstellungen sind oft geprägt von medial vermittelten Bildern, ohne dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. „Entsprechen mein Körper und meine Körperempfindungen der Norm?“ Viele Frauen haben Bedenken bezüglich Aussehen oder Form ihrer Vulva. Diese Bedenken und Hemmungen können einer erfüllten Sexualität im Wege stehen. Würdest Du Deine Vulva auf einem Foto von anderen unterscheiden können? Deine Vulva ist so einzigartig wie Dein Gesicht.
Vielleicht hast Du auch Angst, dass Dein „Untenrum“ nicht schön sei. Diese Sichtweise überträgt sich auf Dein sexuelles Selbstbewusstsein. Mit der Annahme Deines Körpers, so wie er ist, gehst Du einen wichtigen Schritt für Dein Selbstbewusstsein. Wenn Du Deinen Körper kennenlernst, eroberst Du Dir auch ein Stück Eigenmacht. Du lernst was Dir gut tut und entscheidest selbst, welche Qualität von Sexualität und Berührung Du in Deinem Leben haben möchtest. Du entscheidest, was Dir gut tut!
Übrigens, vertrautes wird schöner
Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass wir Fremdes und Unvertrautes weniger schön finden als Bekanntes oder Vertrautes. Wen wundert es dann, dass viele Frauen ihr Geschlecht nicht so mögen. Wohingegen ihre Partner/-innen es voll OK bis wunderschön finden. Wenn dein eigenes Geschlecht dir vertrauter ist, wirst du es also auch schöner finden.
Wenn es jetzt Zeit ist, deine Vulva kennenzulernen, geht das ganz einfach: Du brauchst nur einen Spiegel und 30 Minuten Zeit. Meine Anleitung zeigt Dir, wie Du diese Erkundung achtsam für Dich zelebrierst. Denn nur was wir kennen, können wir auch schätzen!
Ich wünsche Dir viel Freude bei Deiner Selbst-Erkundung. Vielleicht magst Du mir berichten, was Du dabei erlebt und gelernt hast.
Auf Deine lustvolle Erotik,
Deine Ilona Tamas
*Die äußeren und inneren Charmelippen und die Spitze der Klitoris bilden zusammen das äußerlich sichtbare Geschlechtsorgan der Frau, die Vulva. Charme hat den Charme, ein positiv besetztes Wort zu sein, deshalb ersetze ich Scham gern durch Charme.